Die Reisebranche erlebt 2025 eine bemerkenswerte Entwicklung: Multi-Gen-Travel, das gemeinsame Verreisen mehrerer Generationen einer Familie, hat sich von einer Nischenerscheinung zum dominierenden Urlaubstrend entwickelt. Die Buchungszahlen für familientaugliche Großunterkünfte sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Doch was steckt hinter diesem Phänomen und warum entscheiden sich immer mehr Familien für diese Urlaubsform?
Der Aufstieg von Multi-Gen-Travel wird durch eine Kombination demografischer, sozialer und ökonomischer Faktoren getrieben. Die steigende Lebenserwartung und verbesserte Gesundheit im Alter haben die Voraussetzungen für gemeinsame Familienreisen grundlegend verändert. Die heutige Generation der 65- bis 75-Jährigen ist so aktiv, reiseerfahren und unternehmungslustig wie keine zuvor. Sie verfügen über die körperliche Fitness, das Interesse und oft auch die finanziellen Mittel, um anspruchsvolle Reisen mitzugestalten.
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Multi-Gen-Travel – gesellschaftliche Treiber eines Reisetrends
Gleichzeitig hat die geografische Verteilung von Familien zu einer Situation geführt, in der regelmäßige Alltagsbegegnungen zwischen den Generationen selten geworden sind. Berufliche Mobilität und die Konzentration von Arbeitsplätzen in urbanen Zentren haben Familien räumlich auseinandergerissen. Multi-Gen-Travel bietet in dieser Situation eine effiziente Lösung, um qualitativ hochwertige Familienzeit zu konzentrieren und Beziehungen zu pflegen, die im Alltag oft zu kurz kommen.
Auch ökonomische Überlegungen spielen eine Rolle. Die geteilten Kosten für Großunterkünfte, Transportmittel und manchmal auch Kinderbetreuung machen den Trend zu einer finanziell attraktiven Option, besonders für die mittlere Generation, die häufig sowohl Kinder als auch alternde Eltern unterstützt. Die Bündelung von Ressourcen ermöglicht häufig ein höheres Urlaubsniveau, als es einzelne Kernfamilien sich leisten könnten.
Die transformative Kraft des Multi-Gen-Travel für Familienbeziehungen
Was Multi-Gen-Travel von anderen Reiseformen unterscheidet, ist sein Potenzial, Familienbeziehungen tiefgreifend zu verändern. Der gemeinsame Urlaub schafft eine Situation, in der übliche Rollenmuster und Dynamiken aufgebrochen und neu verhandelt werden können.
Besonders für die Großeltern-Enkel-Beziehung bietet der Trend einzigartige Möglichkeiten. Während diese Beziehung im Alltag oft durch die Eltern vermittelt wird, entstehen im Urlaub direkte Bindungen. Entwicklungspsychologische Studien belegen, dass solche intensiven gemeinsamen Erlebnisse langfristige Auswirkungen haben: Kinder mit stabilen Großelternbeziehungen zeigen höhere emotionale Resilienz und ein stärkeres Gefühl historischer Kontinuität.
Für die mittlere Generation, oft im sogenannten „Sandwich“ zwischen Kindererziehung und Unterstützung der eigenen Eltern, bietet Multi-Gen-Travel die seltene Gelegenheit der geteilten Verantwortung. Die Möglichkeit, sowohl als Kind als auch als Elternteil zu agieren und dabei zeitweise aus beiden Rollen heraustreten zu können, wird von vielen als psychologisch entlastend beschrieben.
Ältere Familienmitglieder profitieren von der kognitiven und sozialen Stimulation, die der Kontakt mit jüngeren Generationen bietet. Gerontologische Forschungen zeigen, dass intergenerationelle Aktivitäten mit verbesserter kognitiver Gesundheit zusammenhängen und Gefühle von Isolation und Bedeutungslosigkeit reduzieren, die im höheren Alter oft auftreten.
Infrastrukturelle Anpassungen und Marktentwicklungen
Der Tourismussektor hat auf den Multi-Gen-Travel-Trend mit bemerkenswerten Anpassungen reagiert. Was vor wenigen Jahren noch Pioniercharakter hatte, ist inzwischen ein florierendes Marktsegment mit spezialisierten Angeboten.
Der Unterkunftsmarkt zeigt die deutlichsten Veränderungen. Großraumvillen mit mehreren Schlaf- und Badezimmern, separaten Wohneinheiten und flexiblen Gemeinschaftsräumen erleben einen Boom. Innovative Konzepte wie „Connected Rooms“ in Hotels oder „Family Compounds“ in Resorts ermöglichen sowohl Privatsphäre als auch gemeinsame Erlebnisse. Besonders nachgefragt sind Einrichtungen mit barrierefreien Elementen, die sowohl für Senioren als auch für Familien mit Kleinkindern vorteilhaft sind.
Reiseveranstaltende haben spezielle Multi-Gen-Travel-Programme entwickelt, die die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen verschiedener Altersgruppen berücksichtigen. Diese umfassen flexible Aktivitätenpakete, bei denen sich die Familie tagsüber nach Interessen aufteilen und abends wieder zusammenfinden kann, sowie gestaffelte Betreuungsangebote, die allen Generationen Freiräume ermöglichen.
Schließlich haben auch die Destinationen selbst begonnen, sich als „multi-generational friendly“ zu positionieren. Dies umfasst nicht nur physische Anpassungen wie barrierefreie Zugänge und Ruhezonen, sondern auch inhaltliche Angebote wie generationsübergreifende Lernaktivitäten, Workshops und Erlebnisprogramme, die gemeinsames Entdecken ermöglichen.
Die Herausforderungen von Mehrgenerationenreisen
Trotz aller positiven Aspekte stellt Multi-Gen-Travel Familien vor spezifische Herausforderungen, die ein durchdachtes Management erfordern. Die unterschiedlichen Tagesrhythmen, Ernährungsgewohnheiten und Aktivitätslevel verschiedener Altersgruppen können zu Spannungen führen, wenn sie nicht berücksichtigt werden.
Reiseexpert:innen empfehlen daher einen strukturierten Planungsprozess, der frühzeitig beginnt und alle Beteiligten einbezieht. Vorab-Gespräche über Erwartungen, Bedürfnisse und potenzielle Konfliktpunkte schaffen Klarheit und vermeiden Enttäuschungen. Viele Familien nutzen digitale Kollaborationstools, um diesen Prozess transparent und inklusiv zu gestalten.
Ein Schlüsselfaktor für gelingendes Multi-Gen-Travel ist die Balance zwischen Gemeinschaft und Individualität. Die Integration fest vereinbarter gemeinsamer Aktivitäten etwa gemeinsame Mahlzeiten oder abendliche Zusammenkünfte mit flexiblen Freizeitblöcken ermöglicht sowohl intensive Familienerlebnisse als auch notwendige Rückzugszeiten.
Nicht zuletzt stellt die medizinische Vorsorge einen wichtigen Aspekt dar. Die Berücksichtigung gesundheitlicher Bedürfnisse aller Altersgruppen – von Impfungen und Allergien der Kinder bis zu chronischen Erkrankungen und Medikationsplänen der älteren Generation – erfordert sorgfältige Vorbereitung und manchmal spezifische Versicherungslösungen.
Multi-Gen-Travel im Kontext nachhaltiger Tourismusentwicklung
Ein oft übersehener Aspekt von Multi-Gen-Travel ist sein Potenzial für nachhaltigeren Tourismus. Durch die Bündelung von Ressourcen, sei es bei Unterkünften, Transport oder Verpflegung, weist diese Reiseform oft eine günstigere Umweltbilanz pro Person auf als separate Reisen der einzelnen Kernfamilien.
Mehrgenerationenreisen neigen zudem zu längeren Aufenthalten an einem Ort, was die Umweltbelastung durch An- und Abreise reduziert und gleichzeitig intensivere Verbindungen zu lokalen Gemeinschaften ermöglicht. Diese Art des langsameren, tieferen Reisens steht im Einklang mit aktuellen Konzepten des „Slow Tourism“ und „Immersive Travel“.
Die intergenerationelle Komponente des Multi-Gen-Travel fördert zudem den Wissenstransfer über nachhaltiges Reiseverhalten. Ältere Generationen können ihre Erfahrungen mit ressourcenschonendem Umgang einbringen, während jüngere oft ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein mitbringen. Diese Synergien können zu nachhaltigeren Reiseentscheidungen führen.
Zukunftsperspektiven des Urlaubstrends
Die Zukunft des Trends verspricht weitere innovative Entwicklungen. Die Integration digitaler Technologien wird voranschreiten, etwa durch spezialisierte Apps für Mehrgenerationenreisen, die Planung, Organisation und Dokumentation erleichtern oder durch AR/VR-Anwendungen, die beispielsweise historische Stätten für alle Altersgruppen erlebbar machen.
Die Reisebranche dürfte zunehmend diversifizierte Angebote entwickeln, die spezifische Bedürfnisse verschiedener Familienkonstellationen adressieren – von klassischen Drei-Generationen-Familien über Patchwork-Verbände bis hin zu erweiterten Familiennetzwerken mit Freunden und Wahlverwandten.
Die vielleicht bedeutsamste Entwicklung könnte in der tieferen gesellschaftlichen Anerkennung des Wertes intergenerationeller Begegnungen liegen. Multi-Gen-Travel ist nicht nur ein Urlaubstrend, sondern potenziell ein Modell für ein neues Verständnis von Familie in einer Zeit, die von Fragmentierung und Individualisierung geprägt ist.
Multi-Gen-Travel als Spiegel gesellschaftlicher Sehnsucht
Der Multi-Gen-Travel-Trend reflektiert fundamentale Sehnsüchte unserer Zeit: nach authentischen Verbindungen in einer zunehmend digitalisierten Welt, nach generationsübergreifendem Austausch in einer alterssegregierten Gesellschaft, nach gemeinschaftlichen Erlebnissen in einem oft isolierenden Alltag.
In seiner idealsten Form bietet der Trend einen Raum, in dem Familien gemeinsame Identität entwickeln und pflegen können, in dem Wissen und Traditionen weitergegeben werden, in dem wertvolle Erinnerungen entstehen, die weit über die Reise hinaus wirken.
Die steigende Popularität von Mehrgenerationenreisen zeigt, dass trotz aller Veränderungen in Familienstrukturen und Lebensweisen das Bedürfnis nach familiärer Verbundenheit ungebrochen ist. Multi-Gen-Travel ist damit mehr als ein touristischer Trend – es ist ein kulturelles Phänomen, das uns einlädt, über die Bedeutung von Familie und Gemeinschaft in der modernen Welt nachzudenken.
Artikelbild: ChatGPT; Keywords: Multi-Gen-Travel
